Von Generation zu Generation: die Tecta-Landscape von A&P Smithson bis zu Andree Weißert

Klarheit und radikale Reduktion: Für die Erweiterung der Tecta Landscape fand Andree Weißert eine empathische Antwort auf die Sprache des Ortes. Er rundet die Nordseite des Tecta-Landschaftsparks mit einem reduzierten Holzbau ab. Ein Schaulager wird Skulptur – mit klaren Linien, heimischem Holz und einer Prise Poesie.

Ein Kragstuhl kratzt an den getupften Wolken des Lauenförder Himmels. Gesetzt auf einen 15 Meter roten Obelisken aus Stahl. Wie ein Leuchtturm strahlt die Installation „Ten chairs of Lauenförde“ als Markstein der Tecta Landscape hoch über dem Gelände, das mit lichten Baukörpern, Struktur und Natur übersetzt, was das Familienunternehmen bis heute auszeichnet: offen im Denken zu sein, Neues zuzulassen, ohne das Vergangene zu vergessen. Christian Drescher von Tecta führt an diesem Morgen über das Firmengelände, die Tecta Landscape, die mit ihren künstlerischen Interventionen, den Pavillons und schwebenden Hallen, auf der Landkarte von Architektur und Gestaltung ohne großes Tamtam ihren Platz gefunden hat. Tecta liegt nicht an den großen Wegen, aber Menschen, die gute Gestaltung schätzen, finden wie von selbst zu den Wiesen, wo jeder Grashalm nach Inspiration duftet, die großen Straßen enden und die Landschaft um das Familienunternehmen beginnt.

So auch Andree Weißert aus Berlin. Der Zimmerer, Gestalter und Projektarchitekt arbeitet mit seinem eigenen Studio saw in Kreuzberg. Heute sitzt er in der Sonne in Lauenförde auf einer Bank, die er für Tecta gestaltet hat. Weißert besitzt das besondere Gespür für das Potenzial von Räumen, dazu Leidenschaft für konstruktive und sichtbare Materialien und den Spaß daran, immer wieder neue Dinge entstehen zu lassen. Ob Häuser, Bücher, Umbauten oder Teller, die Einfälle lassen nicht nach. Nach der Entwicklung von Möbeln für Tecta, darunter der Tisch M36, die Bank K36 oder der „Rote Tisch“, folgte 2016 die umfassende Neugestaltung des Firmensitzes. Gestalterisch legte Weißert damals den Fokus auf Büro, Kantine und Galerie; geschaffen hat er eine kluge Verbindung von Möbeln und Plätzen, Farbe und Licht. Er plante mit Bedacht. Was für manchen zur lähmenden Aufgabe würde, war für ihn Herausforderung: das architektonische Gesamtkunstwerk fortzusetzen, das die berühmten britischen Architekten Alison und Peter Smithson für Tecta planten.

Ein Spaziergang unter dem Viadukt der U-Bahnlinie U1 in Berlin-Kreuzberg inspirierte Andree Weißert zur Gestaltung des Tisches M36 und der Bank K36. Konstruktion und Farbigkeit sind eine Referenz an die funktionale Architektur dieser Tragwerke.

„Die Smithsons haben sich in den 1980er Jahren sehr behutsam mit Tecta auseinandergesetzt. Peter wanderte regelmäßig einen halben Tag lang alleine über das Gelände und nahm den Geist des Ortes auf, erfühlte ihn“, erinnert sich Axel Bruchhäuser von Tecta. „Das Architektenpaar betrachtete den Menschen in Wechselwirkung mit seiner Umgebung und bezog selbstverständlich das Vorgefundene, das ‚as found‘, wie sie es nannten, in ihre Arbeit ein.“

Daraus entstand das berühmte Tecta-Gebäudeensemble, das ausgerechnet durch seine Eigenwilligkeit Harmonie gewann und heute durch die Themen von Produktion vor Ort und Customizing bei der Tecta-Kollektion an seine Grenzen kam. Für die Vorhaltung von Möbeln und Material wurde ein neues Gebäude nötig.„Wie schon bei den vorherigen Arbeiten von Andree Weißert für Tecta sollte die Architektur des neuen Schaulagers Positionen von Heute und Gestern verbinden“, erklärt Christian Drescher. „Unser Wunsch war eine zeitgemäße und funktionale Lagerhalle, die gleichzeitig das Schaulager unseres Museum-Archivs beherbergt.“ Der Auftrag offenbart eine Besonderheit des Familienunternehmens: Schon immer konnten sich Tecta-Gestalter über ihre Möbelentwürfe hinaus mit der architektonischen Entwicklung des Firmensitzes beschäftigen. Ob Peter und Alison Smithson oder auch Stefan Wewerka – sie alle hatten eine Vorstellung davon, wie Tecta Leben und Arbeiten verbinden könnte. Das Unternehmen ließ die Gestaltungsideen zu. In diesen Freiräumen entwickelte sich Neues, Innovatives und auch Großes.

S4, Hanne Willmann

Wie eben eine Architektur, die zwar nicht mehr sein will als eine Halle, aber doch aussieht wie eine Skulptur. Man könnte sagen, dass sie an die Vorarlberger Architekturschule erinnert, mit ihrer eleganten, vertikal verlatteten Holzfassade, dem auskragenden Vordach in Kombination mit rohem Aluminium und Edelstahl. Das Holz stammt nicht aus dem Bregenzer Wald, sondern aus den ,Lauenförder Lichtungen. „Ich wollte bewusst keine Lagerhalle bauen, ,die nach zehn Jahren wieder abgerissen werden muss“, führt ,Andree Weißert beim Rundgang aus, „sondern ein Tragwerk und eine Fassade aus Holz, die dem Sortiment von Tecta mit starker Reduktion und sauberer Kubatur gerecht werden.“

Die Wege um die Halle sind gerade erst gepflastert, kleiner Kies ,liegt noch in den Rillen, bald schon werden hier Kräuter wachsen. Man könnte einmal um das Schaulager herumlaufen, seine schlanken ,Perspektiven entdecken, oder flanieren, um das Schaufenster u betrachten, das einen Blick in das Depot für Museumsstücke erlaubt. Kragstühle der letzten Jahrzehnte, eine Bühne für kleine Inszenierungen. Radikal zeitgenössisch ist der neue Bau und vermittelt mit Poesie den souveränen Handschlag zu den ,Bestandsgebäuden. Energieeffizienz, Solar auf dem Dach, eine Bauteilaktivierung zur Temperierung – all das verstand sich dabei von selbst. „So wenig Beton wie nötig, so viel Holz wie möglich“, ,unterstreicht Andree Weißert, „ein passender Rahmen für ,die Tecta-Möbel, die ebenfalls keine Wegwerfprodukte sind, sondern bewusst auf lange Lebenszyklen bauen.“ Handwerkskultur, Detailliebe und innovative Technik zeigen, was gute Architektur zu ,leisten vermag: das Große im Kleinen kraftvoll herauszuarbeiten.

„Es wirkt, als hätte es das Gebäude hier immer schon gegeben“, ,fasst Christian Drescher zusammen. „Die holzverkleidete Halle schließt die Tecta-Landscape zur Nordseite ab, während die Museumshallen von Peter Smithson mit Ihrer Spiderweb-Fassade das Gegenstück auf der südöstlichen Seite bilden.“ Die Allianz des Gestern und Heute ätte den Smithsons ,gefallen. „Andree Weißert hat mit der Gestaltung eine emphatische Antwort auf den Ort in der Sprache des Ortes gefunden“, beschreibt Axel Bruchhäuser. „Von der schwebenden Krag-Idee bis zum Tecta-Zeichen als Spiegelbild der vorhandenen Fassade: schlicht, zeitlos und ästhetisch.“