Tecta

Tecta, das Traditionsunternehmen

Noch nie war Tradition so wertvoll wie heute. Das Unternehmen Tecta steht als Synonym für das Bauhaus – aber neu gedacht.

An den geschwungenen Ufern der Weser liegt Lauenförde. Seit über 40 Jahren geht in dem rund 3000 Einwohner großen Ort die Avantgarde der Gestaltung ein und aus: Ob das britische Architektenpaar Smithson, der Architekt Ludwig Mies van der Rohe, Sergius Ruegenberg, Jean Prouvé, der Künstler Stefan Wewerka oder Ati Gropius, die Tochter des Bauhaus-Gründers.

Der Familienbetrieb wird heute in vierter Generation von Christian Drescher geleitet. Aufgabe und Verantwortung von Tecta sind die Erhaltung und Überprüfung der besten Ideen und Entwürfe der Moderne, so wie sie am Bauhaus in Weimar oder Dessau entstanden sind. Darüber hinaus treibt Tecta der Wunsch an, sie weiterzudenken, zu verbessern und anzupassen. Wenn man ein Problem erkannt und verstanden hat, kann man es lösen und weiterentwickeln – das ist Evolution. Neue Ansätze findet das  Unternehmen beispielsweise durch innovative Materialien und Techniken. Trends sind austauschbar, die Zyklen dafür werden immer kürzer. Ständige Produktwechsel sind unökologisch und unökonomisch. Die Aufgabe von Tecta ist es, den Lebenszyklus guter Modelle zu verlängern, in gesellschaftlicher wie ökologischer Hinsicht. So steht jedes Möbelstück von Tecta für einen zentralen Gedanken: Für zeitlose Modelle ist es nie zu früh oder spät – sie besitzen unvergänglichen Charakter.

Konstruktion und Poesie

Tecta, ein Name, der Technik und damit Techne, das von Menschen Erdachte, Ermöglichte und Gemachte, die Gegenstände für den körperlichen wie den geistigen Gebrauch assoziieren lässt. Essentielles aus der Moderne bietet dieses Unternehmen, das weniger Hersteller als vielmehr Entdecker, Erfinder, Erklärer, Vermittler, Begeisterer und damit Beseeler der materialen Welt ist. Das Programm lässt so ganz nebenbei die Moderne nicht im Jugendstil beginnen, sondern viel früher im preußischen Klassizismus bei Karl Friedrich Schinkel,dessen gusseiserner Gartenstuhl schließlich Ludwig Mies van der Rohes Lösung der Standkonstruktion des Barcelona-Sessels vorwegnimmt.

Die »verborgene Vernunft« wird bei diesem Schinkel-Entwurf vermittelt, gleichzeitig mit der Poesie der Konstruktion, und dass der Gartenstuhl Einzelereignis bleibt und kein Kontinuum begründet, entspricht geschichtlicher Wirklichkeit. Denn, wie an wohl verbreitetster Stelle Nikolaus Pevsner bei den Wegbereitern der modernen Formgebung nachgewiesen hat, war die Zeit um 1800 mit ihren frühen Metallentwürfen bereits Zeit der offenen Grundrisse und der entwickelten Vorhangfassaden (beides in Lagerhäusern), und auch die bei Schinkel Parkmobiliar gewordenen Kragkonstruktionen, die Raum nicht begrenzen, sondern eröffnen, sind solche entscheidenden Beiträge zur Moderne, die aber als solche nicht erkannt wurden.

Konsequent ist es also, wenn Tecta mit Entwürfen des De Stijl-Einflusses und des Bauhauses fortfährt, wobei nicht die Reedition um des berühmten Namens Willen von Interesse ist, sondern die Verbindung von Konstruktion und neuer Formensprache, Techne eben, das in der ursprünglichen Bedeutung im Griechischen die Einheit von Konstruktion, Schönheit und Fertigung, wobei dem Handwerk in Verbindung mit industrieller Fertigung auch heute bei Tecta ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Erinnert sei hier auch daran, dass Walter Gropius’ Forderung an das Bauhaus 1923, Kunst und Technik müssten zu einer neuen Einheit führen, eben diesen Begriff Techne in eine Formel übersetzt. Deshalb ist das Kragstuhl-Museum auch kein Museum der modernen Klassiker oder ein Museum zur Geschichte des (Sitz-)Möbels im 20. Jahrhundert, sondern gleichermaßen Ort für Anregungen und Dinge, die Maßstäbe setzten, Qualitätsstandards bis in die Gegenwart formulieren.

Es ist ein Museum, das einem konstruktiven Prinzip gewidmet ist, den Möglichkeiten des Auskragens, dem die Zugkräfte betonenden Flächenspannen. Und sicherlich ist es gerechtfertigt, das Auskragen mit der ihm immanenten Asymmetrie als Charakteristikum der Moderne schlechthin zu begreifen: die stützenlose Spannung findet sich beim Fahrradlenker ebenso wie bei den Armbewegungen der Gymnastik; Mart Stams Kragstuhl, der von Ludwig Mies van der Rohe und Marcel Breuer zum Freischwinger weitergeführt wurde, gehört dazu; in der Architektur geben die Flugdächer Erich Mendelssohns und die Balkone J. J. P. Ouds frühe Zeugnisse der Verbindung von innen und außen; schließlich thematisiert das asymmetrisch-spannungsvolle Gleichgewicht, das Equilibre in der Malerei des Neo-Plastizismus und des Konstruktivismus diese Spannung auf der Fläche und in künstlerischen Raumkonstruktionen. Auch die »Neue Typographie « mit der Entdeckung des die Mittelachse verlassenden und den Raum asymmetrisch gliedernden Weißraumes ist als grafisches Äquivalent des Kragprinzips zu begreifen und der seit den fünfziger Jahren von der Schweiz ausgehende Einsatz des Flattersatzes in diesem Zusammenhang einer freien, nicht-hierarchischen Ordnung zu sehen.

Tecta also widmet sich der Moderne, sammelnd, aber vor allem produzierend, verbreitend. Da aber Moderne nicht Stil, sondern Umfassenderes meint, beschränkt sich die Firma nicht auf kunstgeschichtlich sanktioniertes, sondern entdeckte, ganz im Sinne des Techne, den großen französischen Konstrukteur Jean Prouvé, suchte Möbel und Bauteile zusammen, reedierte Möbel und entwickelte gemeinsam mit Prouvé neue Lösungen, publizierte das Erreichte und musste schließlich die Rechte an einen Wettbewerber abgeben, auch das nicht untypisch für vieles in der Gestaltungsgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Als Antipode zu Prouvé kann der nächste, mit vielen Entwürfen vertretene Gestalter bei Tecta begriffen werden, der Architekt und Künstler Stefan Wewerka, dessen verzerrte, aber nicht verrückten Konstruktionen bei Tecta zu benutzbaren Objekten mutierten. Wewerka war Utopist, der die Erdkugel auseinanderschneiden und verschoben zusammensetzen wollte, ein Moderner und Kritiker der Moderne. Er gehörte zum Team Ten, einer informellen Gruppe von jungen Architekten im CIAM, der wichtigsten Vereinigung moderner Architekten im 20. Jahrhundert.

Axel Bruchhäuser hatte sein Ingenieursstudium in Dresden auch durch die Eigenfertigung von Drahtstühlen mit Flechtwerk finanziert, durch Produkte also, deren Material ihm vor Ort zur Verfügung stand. Bruchhäuser also entdeckt in Wewerkas Kunst das Potential für Gegenstände: das Ergebnis sind die nicht hierarchischen Stühle, Sessel und Tische, die bis heute die Möbelentwürfe vieler Gestalter beeinflussen.

Wewerka, der auch den auf Prouvé bezugnehmenden Tecta-Pavillon entworfen hatte, ist es, der Axel Bruchhäuser auf die Team Ten-Kollegen Alison und Peter Smithson aufmerksam macht, die dann der Firma architektonische Gestalt geben. Auch hier zeigt sich, dass bei Tecta nicht zwischen großen und kleinen Aufgaben unterschieden wird, sondern allem die gleiche Sorgfalt gilt. So gibt es von den Smithsons einen Ausguck auf dem Innenhof des Firmengeländes, das Kragstuhlmuseum und schließlich die zahlreichen Eingriffe in das Firmengebäude. Dazu kommen Produkte wie das sich einer Blüte gleich öffnende »Tischlein-Deck-Dich«, Sitze und Sammelbehälter für Habseligkeiten. Die Smithsons haben ihre Arbeit einmal so beschrieben, dass sie in jungen Jahren das Haus der Zukunft entworfen haben, um sich immer mehr dem Haus der Gegenwart anzunähern; wer will, kann hier eine Parallele zur Entwicklung Tectas erkennen.

Jörg Stürzebecher

Jörg Stürzebecher, geb. 1961, lebt in Frankfurt (Main), schreibt und unterrichtet zu und über Gestaltungsgeschichte und -theorie, Semiotik, über Tecta u. a. die Texte zu Gunter Rambow, »Cinetique«, zur Zeit Dozent in Stuttgart und Ulm.

Louisa Hutton
Sauerbruch Hutton
Berlin

Eine Kleinstadt mit etwa 3000 Einwohnern, etwa vierzig Kilometer nördlich von Kassel an der Weser gelegen, das ist Lauenförde, die Heimat von Tecta. Wer sich den Fertigungshallen und dem Museum durch die ruhige Seitenstraße nähert, sieht als erstes einen 15 Meter hohen, roten Gitter-Turm, der den Eingang des neuen Museums markiert. Dreht man sich um, erblickt man auf der Wiese den spinnenhaften Wewerka-Pavillon. Zur Feier seiner Eröffnung 1985 hatte Alison Smithson laut Bruchhäuser eine »phantastische Rede« gehalten, »die niemand verstand«.

Barry Bergdoll
Museum of Modern Art
New York

Für mich ist dies eine der wesentlichsten und wahrhaftigsten Sammlungen modernen Designs. Sie zeigt, wie sich die Vorstellungen der Designer mit denen von Axel verbanden, einem Mann, der modernes Design als eine fortlaufende Tradition von Entdeckungen, Erfindungen und geduldiger Forschung versteht, wie Le Corbusier gesagt hätte.

Andrew Mead
Architect’s Journal
London

Die Porches, die überdachten Veranden der Näherei, der Flechterei und der Schlosserei, weisen, so Peter Smithson, »wie Finger in die Landschaft«. Sie bieten den Angestellten Raum für Ruhe und Erholungund ermöglichen direkten Zugang auf die Felder. Die Gerüche von Sägespänen, geschnittenem Metall, Leder und Lack würden es einem ermöglichen, sich in der Tecta-Fabrik mit verbundenen Augen zurechtzufinden. Tritt man aber nach draußen, erwartet einen der Duft von frisch gemähtem Gras. Genau diese Art von Kontrast und Abwechslung will Tecta seinen Mitarbeitern bieten.