Stefan Wewerka

Stefan Wewerka
Genialer Verformer des Alltäglichen

Stefan Wewerka gilt als einer der vielseitigsten Künstler, der in keine Schublade passt und in allen Bereichen der bildenden Kunst und des Designs arbeitete und lehrte. Stefan Wewerka war der Sohn des Bildhauers Rudolf Wewerka (1889–1954) und entstammte einer traditionellen Künstlerfamilie, die sich über viele Generationen zurückverfolgen lässt.

Er studierte nach dem Zweiten Weltkrieg Architektur an der Hochschule für Bildende Kunst in Berlin, als Schüler von Max Taut, Eduard Ludwig und Georg Leowald. Während seines Studiums 1946 war er Mitbegründer des »Studentenheims Eichkamp«. Danach arbeitete er in Architekturbüros, unter anderem bei Hans Scharoun. Ab Ende der 1950er Jahre betätigte sich Wewerka zunehmend als freier Künstler. In den 1960er Jahren begann er mit den Zerschneidungen und Umbauten vor allem von Stühlen, aber auch anderen Alltagsobjekten wie Münzen, Besteck, Fahnen, Schallplatten usw. In den 1970er Jahren entstanden vor allem Radierungen (zahlreiche Mappenwerke und Einzelblätter), in die gleiche Zeit fiel auch die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Dieter Roth. 1978 begann seine Zusammenarbeit mit der Firma TECTA, für die er individuelle Möbel entwarf.

Sein Hauptwerk bilden die Stuhl-Skulpturen, in denen sich bildende Kunst und Design auf unvergleichliche Weise verbinden.

So ist beispielsweise in Kooperation mit TECTA der Dreibeiner B1 entstanden, der zwar dem Bauhaus-Grundsatz »Funktionalität« (form follows function) folgt, aber nicht nach einer funktionalen Reduktion oder gar Eindeutigkeit sucht, sondern sieben unterschiedlichen Sitzhaltungen gerecht zu werden versucht und damit eine innovative, fast spielerische Form findet. Für TECTA entwarf er 1980–1985 einen Pavillon, der als Duplikat auf der Documenta 8 in Kassel von TECTA aufgebaut wurde und ein Jahr später nach Münster verliehen wurde, wo er für die Kunstakademie Münster am Aasee genutzt wird.

B1
Dreibeiniger Armlehnstuhl

Aus zwei Stühlen entsteht ein Stuhl für die mehrdimensionale Nutzung. Der asymmetrische Stuhl B1 kann beispielhaft für die Zusammenarbeit von Stefan Wewerka und Tecta stehen. Zu seinen Vorgängern gehören Stuhlskulpturen, die zu einem Produkt für mehrfache Sitzmöglichkeiten führen, die auch den von Wewerka geschätzten breiten Schustersitz einschliesst.

Stabil steht der B1 auf drei Beinen, ein Lehnteil kann als Ablage dienen, eine Änderung der Sitzposition wird durch Form und Stoffmusterung geradezu angeregt. Da ist kein In-der-Reihe-Sitzen mehr, sondern unterschiedliche Gesprächssituationen sind gefragt.

Und die Detailausführung des Stuhles mit sich verjüngenden Beinen und sanften Übergängen, bei der Lehne etwa, betont, wie weit der B1 von der Bricolage – dem individuellen Akt zwischen Improvisation und Provisorium – entfernt ist und zum formal wie funktional stimmigen Solitär entwickelt wurde, der nicht-hierarchische Kommunikation begünstigt. Ein Anspruch übrigens, dem auch andere Entwürfe Wewerkas für Tecta gerecht werden.

M1
Tisch

„Das kongeniale Zusammenspiel von Unternehmer, Handwerker und Designer.“
Stefan Wewerka

Der M1 Tisch wurde von Stefan Wewerka als Mittelpunkt des Familienlebens geplant. Er bietet mit seiner asymmetrischen, abgerundeten, weit auskragenden Tischplatte den idealen Rahmen für das gesellige Beisammensein kleiner und größerer Gruppen, für maximal 6–7 Personen. Der Clou – der großzügige Fuß des Tischs dient als Schrank für die notwendigsten Gegenstände wie Geschirr, Gläser, Flaschen, Servietten, Kerzen etc. Zudem eignet sich der M1 mit seiner großzügigen und kommunikativen Arbeitsfläche und dem integrierten Stauraum auch ideal für das Homeoffice.

B5
Der Einschwinger Stuhl

Dieser erste einbeinige Kragstuhl besteht aus einem 3,30m langen Rohrstück, das in einer Maschine zu sechs gleichen Radien gebogen wird. Sitzfläche und Rückenlehne sind gepolstert. Er entstand 1982, nach mehreren Vorstufen und Prototypen zu asymmetrischen Stühlen in der Zusammenarbeit zwischen Stefan Wewerka und TECTA.

Wewerka Pavillon
für Tecta

Der gläserne Quader mit seiner schwebenden, linsenförmigen Dachkonstruktion (Wewerka nannte sie Fischbauchträger) integriert sich fließend in die Tecta-Landscape: Die Grenzen von Außen und Innen, Licht und Luft, Natur und Raum verschwimmen zu einem transparenten und lichtdurchfluteten Ausstellungsraum. Das besondere: der Pavillon wurde nicht nur 1985 in Lauenförde für Tecta realisiert, sondern kurze Zeit später noch ein zweites Mal für die documenta VIII 1987 in Kassel. Diesen documenta-Pavillon hat Tecta in der Folge der Stadt Münster geliehen. Er steht heute am Aasee und wird von der dortigen Kunstakademie als Ausstellungspavillon genutzt. 1992 wurde Stefan Wewerka für den Pavillon mit dem Architekturpreis des BDA Münster ausgezeichnet.