F51N
Katrin Greiling

F51N
2019

Des Gropius neue Kleider

Es sind die goldenen 1920er Jahre und etwas liegt in der Luft: „Die Erdenträgheit in Wirkung und Erscheinung schwebend überwinden“, benennt es Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Seine würfelförmige Kragkonstruktion des Direktorensessels F51 glich diesem prophetischen Zitat – für ein neues Kapitel des Sitzens der Moderne: der Kragidee.

Die Armlehnen des F51 kragten frei heraus und der Rücken schwebte über dem Boden. Ein Stück, das bewusst die Visionen Lissitzkys aufgriff und als Innovation galt.

Für ihre Neuinterpretation des F51 zeigt Katrin Greiling nun, dass Flächen und Farbtöne dieser Ikone neu gedacht werden können. Den Gropius-Sessel stellt sie in markanten Farb- und Texturwelten vor, die Perspektiven verändern und Blicke leiten. So verleiht sie ihm nach 100 Jahren ein neues Gesicht. Dafür verwendet sie Stoffe, die der belgische Modedesigner Raf Simons für Kvadrat entwarf. Inspiriert von Wolle, Twill und Tweed entstand eine Kollektion, deren Texturen und Farbtöne den Transfer zu zeitgenössischem Mobiliar schaffen.

Katrin Greiling teilt den Sessel in drei Gestaltungsflächen: Gestell, Sitz- und Armlehn-Polster. Den markanten, geometrischen Holzrahmen präsentiert sie in sechs neuen Farben, die in Hochglanzlack umgesetzt werden. Farbe spielt in ihren gesamten Entwürfen eine große Rolle und so ist es auch beim F51. Mit Farbe und Textur leitet sie das Auge, betont Form und Proportion. Inspiration boten dabei auch die textilen Arbeiten von Gunta Stölzl – Zeitgenossin von Walter Gropius und Meisterin der Weberei am Bauhaus – eine der wichtigsten Werkstätten, dessen geschichtliche Bedeutung aber noch bis heute oft unterschätzt wird. So wird der F51 von Katrin Greiling zu einem Zusammenspiel von Geometrien, Farben und Texturen, das Heute und Gestern gekonnt vereint.

Produktinfo
Maße

Die 1978 in Deutschland geborene Katrin Greiling zog 1998 von ihrer Heimatstadt München auf die schwedischen Insel Öland, um dort Möbelschreinerei und Tischlerei zu lernen. Anschließend fügte sie in Stockholm ein fünfjähriges Masterstudium in Möbeldesign und Innenarchitektur an der renommierten Hochschule für Design, Kunst und Handwerk, Konstfack, hinzu. Ihren Abschluss machte sie dort in 2005.

Nach ihrem Studium begann sie Design weltweit zu erforschen: Es folgte ein dreijähriger Aufenthalt in Dubai, während welchem sie für einen ansässigen Immobilienentwickler Büros in Shanghai, Kairo und Istanbul entwarf. Anschließend arbeitete sie als Direktorin für Industriedesign, und entwickelte in Zusammenarbeit mit der Kunstmesse Art Dubai die Sofakollektion Bidoun, welche dann auch 2010 den ersten Pavillion der Vereinigten Arabischen Emirate auf der Kunstbiennale in Venedig möblierte. Während ihrer Forschungsreisen im Mittleren Osten entstanden auch zahlreiche Photographien welche unter anderem von Rem Koolhaas veröffentlicht wurden.

Zurück in Stockholm konzentrierte sie sich weiter auf Design als Themenschwerpunkt, entwarf für die Stockholm Möbelmesse die Design Bar und arbeitete an zahlreichen Entwürfen. 2013 dann etablierte sie ihr Studio in Berlin.

In ihrer Arbeit verbindet sie Möbeldesign, Innenarchitektur und Photographie – ein interdisziplinärer Mix, der es ihr ermöglicht, Projekte aus verschiedensten Perspektiven zu erfassen. Studio Greiling’s Entwürfe sind mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, zugleich ist sie an vielen internationalen Projekten und Ausstellungen beteiligt, wie zum Beispiel 2010 an der ersten „Wallpaper Handmade“ Ausstellung in Mailand während der Möbelmesse. 2012 gehörte sie zu den ausgewählten Designern für die „Halingdal 65“-Ausstellung von Kvadrat. Zusammen mit Etienne Descloux entwickelte sie 2014 das „Freunde von Freunden“ Apartment von Vitra – ein Showroom und Veranstaltungsort in Berlin. Zuletzt hat sie mit Kinnasand kooperiert: In Mailand war im April 2018 die Ausstellung „Structures“ zu sehen, welche die Relation zwischen Teppich und Objekt erforschte.

Seit 2017 ist Katrin Greiling Professorin für Produktdesign an der HBK Saar in Saarbrücken.

Interview Katrin Greiling
Mit Farben und Texturen
ins 21. Jahrhundert

Wie kam es zu der Idee, den legendären Sessel F 51 von Gropius neu einzukleiden?
Ich habe an der HBKsaar im Herbst 2017 ein Projekt mit der Fragestellung initiiert: Wie gehen Firmen mit dem Bauhaus-Erbe um? Wie kreieren sie aus diesem Erbe Neues? Bei Tecta fragte ich an, ob Interesse an einer Hochschul-Kooperation bestände. Daraus entstand ein wunderbares Projekt, bei dem ich das Unternehmen und die Menschen dahinter kennenlernte. Bei einem Wiedersehen auf der imm Cologne 2018 in Köln fragte Christian Drescher, ob ich Lust hätte eine Re-Edition des Sessels F51 von Walter Gropius zu entwickeln.

Was war Ihr erster Gedanke zur Veränderung?
Ich habe mir überlegt: Wie würde ich den Sessel in einem zeitgenössischen Mobiliar sehen? Ich wollte den Stuhl nicht neu entwerfen, sondern den gegebenen Rahmen aus Fläche, Textur und Farbe neu interpretieren und proportionieren.

Welcher Aspekt spielte bei dem Entwurf eine große Rolle?
Der Körper des F51 lässt sich unterschiedlich wahrnehmen. Er besteht aus Holz- und Polster-Oberflächen. Mich beschäftigte die Frage: setzt man diese Flächen kontrastreich gegen- oder harmonisch miteinander? Farbe spielt in meinen gesamten Entwürfen eine große Rolle. Durch Farbe lässt sich das Auge leiten, lassen sich Proportionen gewichten, Formen hervorheben oder zurückhalten. Die textilen Arbeiten von Gunta Stölzl begeistern mich schon lange. Sie war Zeitgenössin von Walter Gropius und Meisterin der Weberei am Bauhaus – eine der wichtigsten Werkstätten, dessen geschichtliche Bedeutung aber noch bis heute oft unterschätzt wird.

Haben Stölzls Arbeiten Sie konkret weiter inspiriert?
Gunta Stölzls Arbeiten inspirierten mich, um mit monochromen und gemusterten Oberflächen, der Struktur des Webstoffes und einer differenzierten Farbwahl weiter zu arbeiten. Um die taktilen Stoffe von Kvadrat zu kontrastieren, wählte ich für die hölzernen Elemente des Sessels einen Lack in Hochglanzoptik , der die darunter liegende Materialstruktur verbirgt. Inspiration hierfür sind die traditionellen, japanischen Gefäße und Objekte, die mit Urushi lackiert sind. Hier stehen die Materialien in starkem Kontrast zueinander und ergeben als Ganzes ein harmonisches Möbel.

Warum setzten Sie Stoffe von Kvadrat ein?
Bei Kvadrat schätze ich das Verständnis von Farbe, Material und Haptik. Ich arbeite seit vielen Jahren mit der dänischen Firma an verschiedenen Projekten und kenne das Sortiment. Viele der Stoffproben hatte ich bereits bei mir im Studio und nach Gesprächen mit Kvadrat stand meine Auswahl für die Re-Edition fest.

Gibt es einen Bezug zwischen Ihrer Arbeit und der Idee Bauhaus?
Der Zugang zum Handwerk spielt eine bedeutende Rolle und ist tonangebend für die späteren Entwürfe. In der Lehre lege ich großes Gewicht auf das Verständnis von Material und Konstruktion. Meine eigene Ausbildung gestaltete ich ähnlich, vor dem Möbeldesignstudium in Stockholm studierte ich zwei Jahre Möbelschreinerei. Dort war – wie im Bauhaus – die Werkstatt der Arbeitsplatz.

Lässt sich an einem Klassiker noch etwas optimieren?
Der F51 ist eine Ikone, deshalb ergab sich nicht die Frage, an der Form zu arbeiten, sondern ich konzentrierte mich auf die Oberflächen, die weichen, Polster sowie die harten, konstruktiven Flächen. Ich habe das Möbel auseinandergenommen und geschaut: Wie kann ich in diesem präzisen, vorformulierten Rahmen etwas modifizieren? Es ist der Versuch, das Möbel aus der Zeit zu holen und in einen zeitgenössischen Rahmen zu integrieren, so dass man das Alter von 100 Jahren nicht ablesen kann. Dabei war es wichtig, den F51 in der Basis zu belassen, damit er von Tecta im regulären Produktionsfluss weiter hergestellt werden kann.